Die Frage der Präsenz am angestammten Arbeitsplatz – sagen wir der Einfachheit halber im Büro – ist neben vielen anderen eine, wegen der sich die Vorstände von Unternehmen momentan heftig die Köpfe kratzen. Wie man es macht – es ist garantiert verkehrt. Es kursieren momentan verschieden Modelle, die versuchen, eine Antwort auf die Eingangsfrage zu geben.

Manche Unternehmen wollen ihren Angestellten die völlige Wahlfreiheit anbieten und somit die Präsenzpflicht – eine zweihundertjährige »Errungenschaft« der industriellen Revolution – endgültig abschaffen. Andere Arbeitgeber werden vor diesem radikalen Schritt zurückschrecken. In ihren Betrieben wird es Vereinbarungen geben, die auf ein 2:3, 3:2, 1:4 oder 4:1 Modell hinauslaufen werden – wobei die Ziffer vor dem Doppelpunkt die erlaubten Tage pro Woche im Home-Office und die Ziffer nach dem Doppelpunkt die Tage im Büro angibt. Also zum Beispiel: Montags und Freitags im Home-Office, Dienstag bis Donnerstag im Firmengebäude. Oder die Zahl der Tage pro Woche werden festgelegt, nicht aber die Tage selbst. In anderen Unternehmen wird eine Zahl von Tagen pro Jahr für Home-Office-Zeit angeboten werden, zum Beispiel 20. Nur eine Minderheit der Unternehmen wird auf die Dauer Arbeit im Home-Office völlig untersagen.

Es gibt gute Gründe, die für eine Anwesenheit am Arbeitsplatz sprechen. Feedbackgespräche sowie die Beurteilung der Arbeitsleistung können zwar auch in den digitalen Raum verlegt werden, sind aber oft weniger oberflächlich, wenn sie von Angesicht zu Angesicht geführt werden. Auch bei persönlichen Problemen des Mitarbeiters oder bei Konflikten im Team ist es oft besser, wenn man sich gegenübersitzt. Dort, wo noch analoge Akten geführt werden, zum Beispiel im Steuerbüro oder in der Anwaltskanzlei, wird es auch notwendig sein, dass die Mitarbeiter vor Ort arbeiten, da die Akten nicht aus dem Büro entfernt werden dürfen. Und dann gibt es noch die Frage, wie oft sich das gesamte Team in Präsenz treffen soll, oder ob die Meetings in Zukunft alle virtuell bzw. hybrid abgehalten werden.

In den meisten größeren Organisationen gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine festen Regeln für alle, da die Notwendigkeit der Anwesenheit sich nach der Art der Arbeit unterscheidet. Aber was die genauen Arbeitsumstände der Teams sind, weiß der Vorstand normalerweise nicht. Daher empfehle ich, dass nur ein Rahmen festgelegt wird und jedes Team die Frage für sich selbst beantwortet, wenn denn der Betriebsrat zustimmt.

Das Unternehmen OTTO hat kürzlich seine Leitlinien und Prinzipien für hybrides Arbeiten beschlossen und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt (siehe Kasten). Das Modell zielt auf die Harmonisierung der Wahlfreiheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit den Notwendigkeiten des Teams ab.

»Im Zentrum steht dabei nach wie vor der Leitgedanke des tätigkeitsbasierten Arbeitens. Konkret heißt das: Ich wähle im Einklang mit den Teamprozessen für meine Arbeit und mein Tätigkeitsprofil exakt den Ort, der zur bestmöglichen Erfüllung meiner jeweiligen Aufgabe am geeignetsten ist. Egal ob remote, im Büro oder woanders. Dafür wähle ich die Tools und Methoden, die mich darin bestmöglich unterstützen. … Um ein effektives Miteinander zu gewährleisten, wird die Wahl der Arbeitsorte, -tools und -methoden von den Organisationseinheiten eigenständig geregelt.« (Quelle: So sieht das hybride Arbeitsmodell bei OTTO aus. Irene Oksinoglu, 28.06.2021).

Es ist an der Zeit für einen Dialog- und Verhandlungsprozess, der von externen Prozessbegleitern moderiert werden muss.

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