Stehen wir am Beginn eines neuen Nomadentums? Hybride Teamarbeit und neue Regeln zur Wahl des Arbeitsplatzes werden einschneidende Folgen auf die Mobilität der globalen Workforce haben.

Selbständige, vor allem die seit zehn Jahren anwachsende Klasse der Digitalarbeiter, und die in einem Unternehmen abhängig Beschäftigten hat in der Vergangenheit neben vielem anderen vor allem eines unterschieden: die ersten konnten sich den Arbeitsplatz aussuchen, die zweiten waren dazu gezwungen, täglich den Weg ins Büro oder in die Fabrikhalle anzutreten. Aus technischen Gründen war diese Unterscheidung für viele schon seit langem obsolet; das einzige, was viele Arbeitnehmer davon abhielt, nicht aus Bali, von Mallorca oder aus Rom ihren Beitrag zum Unternehmensmehrwert zu leisten, war auf der einen Seite das Dogma, dass sich der Arbeitsplatz prinzipiell im Firmengebäude befindet und auf der anderen Seite staatliche Regeln zum Arbeitsschutz und zur Arbeitszeit. Kaum jemand hat dies bisher in Frage gestellt, schon allein, weil durch ein antiquiertes Menschenbild der Managementklasse Kontrolle vor Ort ausgeübt werden musste.

Außer den geschilderten Rahmenbedingungen und davon abgesehen, dass eine nomadische Lebensweise nicht jederfraus Sache ist und ein großer Teil der Menschheit nach der Devise lebt my home is my castle, gibt es weitere Faktoren, die die Mobilität begrenzen: Familien mit schulpflichtigen Kindern empfinden sich weitgehend standortgebunden – obwohl Schausteller- und Zirkusfamilien immer schon das Gegenteil bewiesen hatten – und die Kosten des Wohnraums dürfen die Lebenshaltungskosten nicht in Unermessliche treiben. Weiterhin galt in präpandemischen Zeiten, dass verteilte Teams nicht die gleiche Produktivität aufweisen wie Teams, die sich regelmäßig im gleichen Gebäude aufhalten. Dieser Irrglaube hat sich in Zeiten, in denen das Homeoffice für viele Monate der Standardarbeitsplatz war, schnell in Luft aufgelöst. Damit soll nicht verleugnet werden, dass die hybride Zusammenarbeit nicht ohne Tücken ist. Aber die Herausforderungen sind lösbar; das haben wir alle seit März 2020 erfahren können.

Nun schreibt die WIRED in einem aktuellen Artikel, dass es auch Auswege für die anderen Hindernisse gibt. Internetbasierte Schulen scheinen ein interessantes neues Businessmodell zu sein – auch wenn das deutsche Schulgesetz sicherlich hierfür enge Grenzen setzt. Die Preise für Immobilieneigentum oder auch Mietwohnungen sind in letzter Zeit in so astronomische Höhen gestiegen, dass AirBnB oft schon die preisgünstigere Wohnalternative darstellt. Die Managementdenke, die Kontrolle höher als Selbstverantwortung bewertet, hat sich in Zeiten von agilen Teams ohnehin schon lange überlebt.

Natürlich werden viele Organisationen ihren Angestellten weiterhin nicht erlauben, sich permanent vom Firmenstandort zu entfernen, aber der Druck wird steigen: erstens fällt es Unternehmen immer schwerer, in den Metropolen den angesprochenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Zweitens gibt es ja ohnehin schon eine wachsende Zahl von Teammitgliedern, die über verschiedene Orte der Welt verteilt sind. Und drittens wird das Angebot, zumindest einen Teil der Arbeitszeit an einem attraktiven Ort der eigenen Wahl verbringen zu können, ein Vorteil auf der Suche nach begabten und motivierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sein. Vermutlich wird das in der Masse mehr für die jüngeren und auch für die älteren Angestellten eine Option sein und weniger für Familien mit Kindern, da es natürlich nicht nur um das Schulangebot, sondern auch um soziale Kontakte geht.

Aber wenn die Schranken fallen, wenn Unternehmen die Wahl des Arbeitsplatzes frei geben, wenn die Automatisierung der Industrie immer weniger Vor-Ort-Personal verlangt und wenn hybride Teams erwachsen werden, dann wird die Zahl der Co-Working-Spaces, nicht nur in sub-tropischen Regionen, sondern auch in ländlichen Regionen Europas sich noch einmal um ein Vielfaches erhöhen.

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