Machen wir uns nichts vor. Hybride Meetings, bei denen ein Teil des Teams vor Ort in einem Konferenzraum sitzt und andere Teammitglieder über einen Bildschirm in den Raum gebeamt werden, sind eigentlich etwas, was keiner gut finden kann. Und doch wird in der Zukunft ein großer Teil von Teammeetings auf diese Art ablaufen.
Unter den Apologeten der digitalen Kultur, zu denen ich mich ganz unbescheiden auch zähle, galt seit langem das Mantra hybrid ist Mist. Wenn sich die Teams schon nicht von Angesicht zu Angesichts treffen können, dann sollte wenigstens jeder vor seinem eigenen elektronischen Ausgabegerät sitzen. So stellt man Gleichberechtigung her, haben wir gedacht. Andernfalls sind doch die, die sich in ein analoges Meeting hinzuschalten müssen, immer im Nachteil. Außerdem stellen hybride Meetings besondere Anforderung an die Technologie, und das kann sich nicht jedes kleinere oder mittlere Unternehmen leisten. Und wenn es sich es leisten kann, dann gibt es meistens im ganzen Gebäude oder zumindest im ganzen Stockwerk nur einen Konferenzraum, der mit dieser Technologie ausgerüstet ist. Ohne Moderation erfordert es ungeheure Disziplin, in solchen Meetings alle zu Wort kommen zu lassen.
Auch wenn diese Argumente alle stichhaltig sind, haben wir uns lange in die Tasche gelogen. Die postpandemische Arbeitskultur wird dadurch gekennzeichnet sein, dass hybride Meetings die Norm und nicht die Ausnahme sein werden. Und seien wir doch mal ehrlich: auch in reinen virtuellen oder rein analogen Meetings war nie garantiert, dass jeder zu Wort gekommen ist und dass diejenigen, die gerne ein Meeting dominieren, in ihre Schranken verwiesen worden sind. Und zu dem Versagen der Technik in virtuellen Meetings kann jeder einen guten Witz beitragen. Oder auch zwei.
Ich sehe es so: die neuen Teams sollten tatsächlich versuchen, so viele wie mögliche Routinemeetings, zum Beispiel für Status-Updates, virtuell abzuhalten. Daran haben sich alle ja inzwischen gewöhnt. Hier gibt es aber neue Herausforderungen: wenn wahr ist, was viele vermuten, nämlich dass Unternehmen die Gelegenheit beim Schopf packen und und ihren Büroraum reduzieren werden, dann wird nicht jede, der in die Firmenzentrale kommt, einen Arbeitsplatz finden, an dem sie ungestört an einem Videocall teilnehmen kann. Auch wird man nicht allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dazu verdonnern können, dass sie zu Zeiten der Teammeetings aus dem Home-Office arbeiten, wenn diese Situation für sie nicht ideal ist. Genauso wenig das Gegenteil: in vielen Unternehmen wird es in der Zukunft eine Wahlfreiheit bezüglich des Arbeitsorts geben, wenigstens für ein bis drei Tage pro Woche. Das impliziert, dass es eher nicht so häufig vorkommen wird, dass sich das ganze Team in Präsenz trifft.
Der Economist hat kürzlich einen sehr amüsanten Artikel veröffentlicht, mit dem Titel How to pic the best days to work from home. In Kürze zusammengefasst, gibt es diesen Tag nicht wirklich: Montag und Freitag klingen nach verlängertem Wochenende und können dem eigenen Ansehen schaden. Dienstag und Donnerstag unterbrechen die Woche in zwei ungleiche Teile, was sich irgendwie komisch anfühlt. Mittwoch scheint der ideale Tag zu sein, oder ist das gerade die beste Wahl für den Tag, an dem alle ins Büro kommen sollten?
Das klingt alles nach einem großen Kuddelmuddel; und in der Realität wird es sich vermutlich auch so darstellen. Viele Teams werden sich durchwurschteln, aber es wird auch große Unzufriedenheiten geben und einen Verlust an Effektivität.
Teams, die sich als hybride definieren und daraus auch ein Stück weit ihre neue Identität generieren, müssen einiges klären. Dazu gehört unter anderem die gewünschte Anwesenheit, die Form, in der Meetings organisiert und gestaltet werden, was passiert, wenn ein analoges Meeting einberufen wurde, in letzter Minute aber eine Kollegin mitteilt, dass sie doch von zu Hause arbeiten muss, oder ganz einfach, wenn ein hybrides Meeting spontan stattfinden soll, der einzige Konferenzraum im Unternehmen, der mit adäquater Technik ausgestattet ist, aber schon von einem anderen Team gebucht ist.
Die Teams kommen also nicht darum herum, klare Vereinbarungen zu treffen, diese schriftlich festzuhalten und regelmäßig darüber zu sprechen, inwieweit diese Vereinbarungen eingehalten werden, der Realität entsprechen, den Zusammenhalt und die Produktivität des Teams fördern, oder auf einen neuen Stand gebracht werden müssen.
Wir sollten das alte Mantra schnell aus unseren Köpfen bekommen, denn so ein limitierender Glaubenssatz hindert uns daran, proaktiv nach den besten Lösungen für die Herausforderungen hybrider Teams zu suchen.
Abbildung: © Shutterstock, 2021
Lieber Holger,
danke für deinen Beitrag. Ich sehe das ähnlich.
Meine Fragen gehen tatsächlich in Richtung geeigneter und auch günstiger Technik für Organisationen und Gruppen, die sich weder die Profi-Ausstattung noch feste „Hybrid-Räume“ leisten können.
Die Herausforderungen an Moderation hast du beschrieben. Sie sind auch nach meiner Einschätzung machbar.
Lieber Peter, Deine Frage verlangt eine ausführliche Antwort. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass ich gerade ein Buch zum Thema “Hybride Teams” schreibe und mich darin auch der Frage der Technik beschäftigt habe. Nicht in dem Sinne, dass ich eine bestimmte Technik empfehle. Ich glaube, für Gruppen, die keine großen Budgets haben, sollte eine normale Computerausstattung reichen mit guten Bildschirmen und Lautsprechern. Man kann natürlich über die Investition in eine 360-Grad-Kamera nachdenken.
Idealerweise jedoch versucht man, solche Meetings zu vermeiden, macht häufigere kurze rein digitale Status-Updates, arbeitet viel asynchron bzw. in Kleinteams und trifft sich alle 4 Wochen einmal mit dem Gesamtteam an einem Ort. Wenn das Team nicht über die Welt verteilt ist…
Der Teufel steckt sicherlich im Detail und jedes Team muss klare Vereinbarungen darüber treffen, wie sie mit den Herausforderungen umgeht.